Bugatti 100 P vom Wolfram Witschel – Special Hobby 1:72

Der Italiener Ettore Bugatti eröffnete im Jahr 1919 seine Automobilfirma im französischen Molsheim. Mit seinen Rennwagen stand er in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Konkurrenz mit deutschen Herstellern. Da der Flugzeugbau immer schnellere Maschinen hervorbrachte und andere Nationen sich bei Rekorden stetig wieder überboten, wollte sich auch Bugatti hier für Frankreich beteiligen und an Flugwettbewerben teilnehmen.

1936 wendete sich Bugatti an den belgischen Ingenieur Louis de Monge, der mit ihm das Model 100P entwickelte. Sein Plan war es am Rennwettbewerb Coupe Deutsch de La Meurthe 1938 teilzunehmen. Zu einer Zeit, als der Flugzeugbau im Umstieg vom Doppeldecker mit starrem Fahrwerk zum Eindecker mit Einziehfahrwerk begriffen war, war das Design der Bugatti 100P wahrhaftig futuristisch.

Wegen des drohenden Kriegsausbruchs und der Nähe seiner Fabrik zu Deutschland verlegte Bugatti 1938 den Bau des Flugzeuges vom Elsass nach Paris, in den zweiten Stock einer Möbelfabrik. Kurz bevor die Wehrmacht im Juni 1940 Paris besetzte, war die 100P fast fertiggestellt. Sie wurde nach Ermeronville evakuiert und in einer Scheune eingelagert. Dort blieb sie bis etwa 1960 unentdeckt. Ab 1960 wurde die Maschine mehrfach verkauft und französischen Museen zur Restaurierung angeboten. Doch diese Angebote wurden abgelehnt. Die Maschine wurde dann ohne die beiden Motoren in die USA verkauft. In Übersee wurde dann mit der Restaurierung begonnen. Dort wurden die Arbeiten von dem ursprünglichen Entwickler Louis de Monge unterstützt der inzwischen in den USA lebte. 1979 wurde die immer noch unvollendete Maschine an das Air Force Museum übergeben. Von dort wurde das Flugzeug 1996 an die Experimental Aircraft Association (EAA) in Oshkosh/Wisconsin zur Restauration ausgeliehen. Heute ist die fertig restaurierte 100P im EEA Air Venture Museum ausgestellt.

Die Maschine war überwiegend aus Holz gebaut. Als Antrieb dienten zwei Bugatti-Fahrzeugmotoren T50B. Die beiden Motoren waren hintereinander im Rumpf in Schräglage eingebaut. Die Antriebswellen gingen rechts und links am Pilotensitz vorbei, sie endeten in einem Getriebe unmittelbar vor dem Instrumentenbrett. Von dort erfolgte die Kraftübertragung der 2 x 450 PS (2 x 336 kW) zu zwei gegenläufigen Ratier-Zweiblattpropellern.

Ab 2009 wurde an einem originalgetreuen Nachbau der 100P gearbeitet, der 2015 seinen Erstflug hatte. Beim dritten Testflug am 6. August 2016 stürzte die Maschine kurz nach dem Start ab, der Pilot und Erbauer kam dabei ums Leben.

Der Bausatz bietet das was man von Kleinserie erwartet, auf den ersten Blick ganz hübsch, ein paar Unsauberkeiten in der Spritzform und einiges an Grat. Später stellt man fest, die Paßgenauigkeit ist eher schlecht, alle Teile benötigen mehr oder weniger Nacharbeit und auch für Spachtel bleibt noch genügend Platz.

Wie üblich beginnt der Bau mit dem Cockpit, es ist für den Maßstab und diese Größe gut detailliert. Bei der Farbgebung habe ich mich an der Museumsmaschine in Oshkosh orientiert. Ein Decal für das Instrumentenbrett wäre natürlich sehr hilfreich gewesen, so mußte ich mit viel Mühe (und Frust) aus alten Decalbögen Instrumente auschneiden und einzeln aufkleben. Das Ergebnis ist, denke ich, ganz ordentlich.

Da das Vorbild erst mit ca. 60 Jahren Verspätung fertiggestellt wurde und nie geflogen ist, kann man sich bei diesem Modell wohl ein paar Freiheiten herausnehmen. Also habe ich z.B. dem Sitz ein paar Gurte spendiert. Auf die Öffnung in der Kabinenhaube habe ich ebenso verzichtet wie auf die Änderung der Spinnerspitze.

Beim probeweisen Zusammenbau der Rumpfhälften mit der Kabinenrückwand bleibt im Vorderteil ein Spalt von ca. 1 mm. Eine Abstimmung mit der Kabinenhaube und dem Tragflächenbauteil zeigte, daß der Rumpf so breit bleiben muß. Deshalb habe ich im Vorderteil einen Keil von 1 mm (Flügelanschluß) auf 0,5 mm (Bug) eingefügt.

Anschließend bin ich von der Bauanleitung abgewichen und habe den Rumpf mit der Kabinenrückwand, außer im Vorderteil, ohne Cockpiteinrichtung zusammengeklebt. Das hat die weiteren Anpassungsarbeiten sehr erleichtert. Um einen runden Bug im Durchmesser des Spinners zu erzielen mußten noch die Seitenwände und die Kabinenhaube abgeschliffen werden. Danach konnte die Inneneinrichtung von oben her eingesetzt und auch der Vorderrumpf verklebt werden. Die Cockpit-/Getriebeeinheit (Step 2) ist insgesamt ca. 1 mm zu lang, deshalb mußte ich das Frontschott mit der Propellerwelle entsprechend anpassen.

Die Lufthutze hinter dem Cockpit wurde komplett abgeschliffen und durch eine Eigenanfertigung aus dünnem Blech ersetzt. Die Fahrwerksschächte mußten in der Höhe etwas nachgearbeitet werden um die Flügelschalen ohne Spannung verkleben zu können. Die Rumpfanschlüsse der Tragfläche passen schlecht. Nach Abgleich mit Vorbildfotos wurde die linke Krümmerleiste um 2 mm nach vorn verschoben. Die Kühllufteinlässe im Leitwerk sind aus Resin gut wiedergegeben, müssen aber auch komplett beigespachtelt werden.

Beim Fahrwerk wurden die Radgabeln deutlich schlanker geschliffen und mit Steckachsen versehen. Einzugsstreben fehlen und entstanden im Eigenbau. Deren Anlenkpunkte am Fahrwerk sind aber vorhanden. Die Fahrwerksklappen wurden aus dünnerem Material neu angefertigt. Die kleinen Abdeckungen neben den Fahrwerksbeinen sind ziemlich groß geraten und sollen in voller Materialstärke auf die Tragflächenunterseite aufgeklebt werden. Diese habe ich etwas verkleinert und schräg auslaufend abgeschliffen.

Die Propellerblätter wiesen teilweise einen ziemlich heftigen Grat auf, hier war äußerste Vorsicht geboten um keinen Bruch zu produzieren.

Es ist schön das Special Hobby sich eines solchen Exoten in Spritzguß angenommen hat, allerdings hätte die Umsetzung durchaus etwas präziser sein können.

Wolfram Witschel

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